Bereits seit der 6. Klasse träumte ich davon, ein Austauschjahr in einem anderen Land - im besten Falle Amerika - zu machen, doch diese Träume (wie auch die von Sprachferien in England...) wurden mit einem klaren "viel zu teuer" meiner Eltern gedämpft.
Am letzten Tag der Einsendefrist warf ich, hin- und hergerissen zwischen Zweifel und Hoffnung, meine Bewerbung in den Briefkasten.
Für mich völlig überraschend (meine Schulnoten waren zu dem Zeitpunkt nicht überragend) wurde ich zu einem Auswahlgespräch (Casting) eingeladen und schaffte es dann mich aus der Masse von ca. 50 Mitstreiterinnen hervorzuheben und kam unter die letzten fünf.
Nun wurde jede/r der fünf Bewerber/innen einzeln zu dem Entscheidungsträger, in unserem Fall Frau Dr. Margit Wetzel (MdB SPD), nach Hause eingeladen und wurde in einem zwanglosen Gespräch interviewt. Meine Persönlichkeit und Reife schien der sehr netten Dame zu gefallen und mir wurde (unabhängig vom PPP-Stipendium) ein Praktikumsplatz in ihrem Büro in Berlin für mein Schulpraktikum angeboten, den ich ohne zu zögern dankend annahm.
Nach ungefähr einer Woche Bibbern und Daumendrücken stand die Entscheidung fest:
Frau Dr. Wetzel hatte sich für mich entschieden, ich würde meinen Traum leben dürfen!!!
Nun konnte ich mich endlich RICHTIG in die Vorfreude stürzen.
Über die Organisation GIVE wurde ich in Zusammenarbeit mit der Partnerorganisation ASSE auf das Jahr vorbereitet und natürlich auch vermittelt.
Ich wurde in dem kleinen Örtchen Covington in Pennsylvania platziert, meine High School (ich durfte dort die 12. Klasse besuchen und war demnach ein "Senior") lag im etwa 5 km entfernt gelegenen Ort Blossburg und hatte den klangvollen Namen:
Meine amerikanischen Gasteltern - wo fange ich da an? - waren die Besten. Das behaupten viele Austauschschüler, aber in meinem Fall...ich habe die beiden, Bob und Nancy Snedeker, diverse Male nach Ablauf meines Jahres besucht und stehe noch immer in sporadischem Kontakt mit ihnen.
Das Ehepaar hatte zwar erwachsene Kinder, die jedoch nicht mehr zu Hause wohnten, daher war ich der neue Augenstern. :-)
Meine Mom Nancy, eine ehemalige Hauswirtschaftslehrerin mit unvergleichlichen Koch- und Backkünsten, wurde zu einer zentralen Vertrauensperson in meinem Leben. Ich glaube im Nachhinein sagen zu können, dass wir beide die Bekannschaft des Anderen als eine große Bereicherung für unsere Leben sehen.
Wir halten noch immer sporadischen Kontakt, Facebook und E-Mail sei dank.
Meine Schule war viel kleiner als ich sie mir vorgestellt hatte; in meinem Jahrgang hatte eine Klassenstärke von knapp 50, was für amerikanische Verhältnisse winzig ist. Am ersten Schultag war ich unglaublich aufgeregt. Ich hatte zwar das Schulgebäude bereits in Augenschein nehmen dürfen, aber das war noch zu Ferienzeiten. Jetzt würde ich auch meine Mitschüler kennenlernen - wie spannend! Echter amerikanischer Schulalltag... Geprägt von Serien wie "Beverly Hills 90210" oder "Boy meets World" hatte ich eine ungefähre Vorstellung von dem High School Leben - die Realität war aber (wie in den meisten Fällen) langweiliger aber irgendwie natürlich besser.
Die erste Hürde war der Schoolbus. Ich, 17 Jahre alt und mit Abstand die Älteste im Bus, hatte ja keine Ahnung, dass man, anders als in Deutschland, nicht irgendwann dem Fahrer signalisieren muss, dass man aussteigen möche. Panisch fragte ich die Kinder um mich herum, wie ich dem Fahrer sagen kann, dass ich aussteigen muss, und zwar an der North Penn High, und wurde beruhigt mit: "Oh, the driver knows where you are going..." Naja, als ich verstand, dass der Bus alle Schüler zur gleichen Schule brachte (Schulkomplex von Kindergarten bis 12. Klasse), ging es mir schon etwas besser, aber dennoch wurmte es mich, dass ich von den neugierigen Kindern nun etwas irritiert angestarrt wurde.
Natürlich waren die anderen Auslandsschüler und ich auf unsere Zeit in Amerika vorbereitet worden; das Thema "tricky words" wurde auch behandelt. Tricky words sind Wörter, die Ausländer fälschlich anwenden und die in gewissen Situationen für unglaubliche Situationskomik sorgen können.
Das wohl bekannteste Beispiel ist das des deutschen Jungens, der im amerikanischen Klassenzimmer seine Tischpartnerin nach "a rubber" fragt und "eraser" meint. Ein "rubber" ist im amerikanischen Englisch nämlich ein Kondom und kein Radiergummi.
Auch gerne gemacht wird der "become"-Fehler:
"Can I become a hot dog, please?" nein nein, ein Hot Dog WERDEN kann man nicht so leicht, aber sich wie ein armes Würstchen fühlen, wenn alle lachen, dass geht um einiges schneller...
Naja, diese Fehlerquellen werden behandelt und ausgemerzt, damit UNS soetwas gar nicht erst passiert.
Was mir passiert ist, zählt wohl eher zur Kategorie American Mentality:
Nachdem ich mich an der Schule sehr gut eingelebt und dem Cheerleading Team beigetreten war (wollte ich IMMER schon mal machen, ist in Deutschland, zumindest im ländlichen Raum, nicht verbreitet), freundete ich mich schon bald mit der sehr netten, coolen und lustigen Rachel an, die in der Cheerleadingmannschaft war und auch wie ich in Covington wohnte. Rachel nahm mich, damit mir der Schulbus und die kleinen Kiddies erspart blieben, nach dem Cheerleading-Training mit ihrem Auto, einem zugemüllten, klapperigen Oldsmobile, nach Hause.
Beim Aussteigen, nachdem wir uns auf der Heimfahrt köstlich unterhalten hatten, verabschiedete sie mich mit "I'll see you later, Lisa."
Den Nachmittag und bis spät in den Abend hinein wartete ich neben dem Telefon auf einen Anruf Rachels, der natürlich nie kam. "I'll see you later", so erfuhr ich am nächsten Tag, als ich sie zur Rede stellte, ist wirklich nur wie "Have a good evening" zu verstehen. Aber mit 17 nimmt man soetwas noch wörtlicher...
Dieses kleine Beispiel fasst eigentlich die Amerikaner und ihre Umgangsweise gut zusammen. Sie sind immer freundlich, aber selten verbindlich - alles kein Problem mehr, wenn man darauf eingestellt ist. ;)
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