Mit Meditation unbesiegbar werden
Wie die Kraft der Stille mein Leben bereichert
Digitalisierung und Beschleunigung gehen Hand in Hand. Eigentlich gehen sie nicht, sie rennen. Mit multiplen Projekten, Kunden und sogar Arbeitgebern zu jonglieren ist für immer mehr Menschen längst Büroalltag. So auch für mich.
Dem Wunsch nach Balance und Entschleunigung nachgehend, habe ich vor einigen Monaten etwas ausprobiert, das mein Leben und Arbeiten umgehend positiv beeinflusste. Seitdem will und muss ich mich unaufgefordert mit den unterschiedlichsten Menschen über dieses Thema austauschen. Die Erfahrung, die ich im letzten Herbst machen durfte, begeistert mich nach wie vor und ich möchte sie teilen. Ich berichte dabei von einem Aha-Moment, den ich meist wie folgt beschreibe: „Es ist für mich so, als hätte ich im Buch des Lebens, von dem man ja weiß, dass man immer mal wieder ein Kapitel beendet und das nächste beginnt, plötzlich etwas komplett Neues und Unerwartetes entdeckt. Auf einmal stelle ich fest: Das Buch ist in 3-D und hat versteckte Seiten und geheime Einschübe!“
Die Rede ist von Meditation.
Es braucht nicht viel. Tatsächlich so wenig, dass mich einige Menschen gefragt haben, warum ich für so etwas Simples überhaupt Geld in die Hand genommen habe. Meditieren lernen, in meinem Fall im Rahmen eines kostenpflichtigen Einführungskurses, ist meine ganz persönliche Investition, die ich für die bisher beste meines Lebens halte.
Fünfzehn Minuten zwei Mal täglich, in denen der Kopf herunterfahren darf. Meine Augen sind geschlossen, ich atme ruhig und flach. Dann beginne ich, ohne zu sprechen mein Mantra zu wiederholen. Leicht und gelöst, ohne mich darauf zu konzentrieren. Einfach so, wie es gerade kommt. Und das, was dann passiert – oder eben nicht passiert – ist jedes Mal anders. Auch das gehört dazu und ist spannend. Doch spannend ist das Ganze immer erst hinterher, denn eigentlich geht es bei Meditation um geistige Entspannung.
Gelassener und effizienter: In den Flow durch Mantrawiederholung
Auf längeren Reisen hatte ich meine innere Ruhe und einen perfekten Fluss gefunden. Egal, was um mich herum passierte, ich war genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Alles floss und ich war mittendrin. Dieser Fluss oder Flow beschreibt für mich einen himmlischen, erstrebenswerten Zustand im absoluten Einklang. Und diesen Flow hatte ich zumindest immer so lange, bis mich nach ein paar Wochen in Deutschland der Alltagsstress mitriss und vereinnahmte. Gedanklich beschäftigte ich mich meist weit vor und nach der Arbeit mit dem, was ich über den Tag und die nächsten Wochen im Job auf dem Zettel hatte und plante die Dinge, die ich noch zu erledige hatte. Dabei ging ich oft verschiedene mögliche Szenarien durch, untersuchte alle denkbaren Outcomes auf ihre mutmaßlichen Konsequenzen. Ich verbrannte zu viel Energie. Und, viel schlimmer noch, ich war dabei, eine für mich wichtige Trennlinie zu verwischen: Die Grenze zwischen Beruflichem und Privatem. Gedanken rund um die Arbeit hatte sich als Untermieter eingenistet und übernahmen nun, positiv wie negativ, sehr viel – zu viel – Raum im Privatleben ein. Mir war bewusst, dass dem so war, doch irgendwie fühlte ich mich von meinem eigenen Kopf mitgerissen und unfähig, ihn konsequent zum Rasten zu bringen. Als mein Partner uns dann im September gemeinsam bei einem Meditations-Infovortrag anmeldete, war ich dankbar, und wusste instinktiv, dass ich endlich und unbedingt Meditieren lernen musste.
Auf die Einführungszeremonie, bei der wir in jeweils einer Einzelsitzung unsere geheimen Mantras erhielten, folgten zwei gemeinsame Sitzungen mit jeweils zwei Stunden Meditation und Gesprächen. Unser Meditationslehrer, ein spitzbübischer, drahtiger 70-Jähriger, erklärte uns, dass es bei Meditation und Transzendieren (lateinisch: Übersteigen) um Grenzenlosigkeit geht. Dieses Konzept kann nicht verstanden, sondern nur gefühlt werden, am besten, indem man es selbst erlebt. Jede Meditation ist anders. Es gibt kein falsch, solange man sich immer wieder an die Grundlagen der Meditation erinnern (gelöst und entspannt anstatt verkrampft das Mantra denken, den Körper zur Ruhe kommen lassen und frei von Erwartungshaltungen beginnen, während des Meditierens nichts verurteilen, wenn Gedanken kommen, immer wieder aufs Mantra besinnen).
Wie bei einem Computer startet durch regelmäßige Meditation im Gehirn eine Defragmentierung, die über die Zeit des eigentlichen Meditierens hinausgeht: Der Geist verdichtet sich nachhaltig, während der Verstand still wird. Jetzt ist die Zeit der körpereigenen Selbstheilungskräfte gekommen. Sie nutzen die Gelegenheit, Wartungsarbeiten zu erledigen und alles einmal gründlich zu reinigen.
Manchmal fühlt es sich für mich so an, als würden durch die Meditation Updates installiert, die mich im Laufe der nächsten Stunden oder Tage dabei unterstützen, ruhiger, klarer und entschlossener zu handeln. Ich entscheide besser und lerne neue Möglichkeiten kennen, mit meinem Körper zu arbeiten, anstatt mich gedanklich zu zerfleischen. Und ich bin nicht alleine. Dass es Meditation längst aus der Eso-Ecke ins Rampenlicht geschafft hat, bezeugen hochdotierte Management-Seminare, bei denen Top-Manager lernen, mithilfe von Meditationstechniken Stress abzubauen und effizienter unter Druck zu arbeiten. Sie sind keine Buddhisten oder Anhänger fernöstlicher Rituale. Sie tun es, weil Meditation für sie funktioniert. Jeder Mensch, egal welchen Alters oder Bildungsgrads, kann ortsunabhängig und ohne Hilfsmittel meditieren. Es gibt unterschiedlichste Meditationstechniken, der Zugang ist einfach; unterm Strich entfalten alle eine nachweislich positive Wirkung sowohl für einen selbst als auch das Umfeld. Das Allerbeste: wenn einmal verinnerlicht, dann ist Meditation komplett kostenfrei.
Schwierig finde ich es zwar immer noch, komplett frei von Urteilen und Bewertungen zu meditieren, aber auch das klappt immer besser. Ich gewöhne mich daran, dass ich meine Meditation idealerweise gar nicht versuche, zu beeinflussen. Wenn Gedanken kommen, dann versuche ich sie so schnell wie möglich durch die Wiederholung des Mantras zu verdrängen, anstatt sie wie einen zugeworfenen Ball aufzunehmen. Dann lasse ich diese Gedanken in Frieden weiterziehen, ohne sie oder mich selbst zu bewerten. Hiermit tue ich mich noch schwer, doch auch das fügt sich. Mittlerweile ist es kein Beinbruch mehr, wenn ich es nach einem langen Tag einmal nicht schaffe, vom Einschlafen zu meditieren, und stattdessen auf der Couch versacke. Auf die Meditation am nächsten Morgen freue ich mich dafür umso mehr, denn ich merke, wie sehr es mir mein Geist dankt.
Das Jahrhundert des Gehirns – Investitionen in die Zukunft
Als komplexestes und wertvollstes Organ wird der menschliche Kopf im „Jahrhundert des Gehirns“ immer wichtiger. Da wir ihn (noch) nicht auswechseln oder gegen ein neueres, leistungsstärkeres Model tauschen können, müssen wir mit dem Eumel da zwischen den Schultern arbeiten, den wir zur Verfügung haben. Gehört man zur US-Tech-Elite, dann investiert man heutzutage in Start-ups, die sich damit beschäftigen, unsere Gehirne technologie-unterstützt schneller und produktiver zu machen. Dies ist eine Investition in menschliche Maximalbeschleunigung, was vordergründig zu den Anforderungen passt, die mit der Digitalisierung einhergehen.
Elon Musk und seine Firma Neuralink haben die Vision, datenleitfähige Substanzen über das menschliche Gehirn zu legen und damit Geist und Maschine verschmelzen zu lassen. Der Unternehmer möchte die Science-Fiction-Vision schlechthin in die Tat umsetzen, und Hirn-Computer-Schnittstellen entwickeln – und damit die Grenzen der Selbstoptimierungsmöglichkeiten und Risiken der ungewollten Einflussnahme gravierend verschieben.
Mit der „Verdrahtung“ der eigenen Gedanken mit einem Computer mag ich mich nicht so recht anfreunden. Umso besser, dass ich seit sechs Monaten am eigenen Leib erlebe, dass es einen viel einfacheren und kostengünstigeren Weg gibt, das Brain zu pimpen.
Diesen Text habe ich als Kolumne für WORK IN PROCESS verfasst. Hier geht es zum ursprünglichen Beitrag.